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Schuldengipfel: Euro-Rettungspaket könnte zur Mogelpackung werden
Josef Ackermann hat reichlich Erfahrung mit politischen Krisenverhandlungen. Die Rettung der Hypo Real Estate im September 2008 machte er letztlich persönlich mit der Bundeskanzlerin aus, und als im Juli erstmals über einen Schuldenschnitt für Griechenland verhandelt wurde, war der Deutsche-Bank-Chef in zahlreichen hochrangig besetzten Runden dabei.
Doch als es diese Woche erneut ernst wurde in Sachen Umschuldung des Mittelmeerlandes, fehlte ausgerechnet einer im Verhandlungsraum – Ackermann. Während in Brüssel die Krisengespräche liefen, weilte der Vorsitzende des internationalen Bankenverbands IIF auf Geschäftsreise in Moskau und überließ die Gespräche seinem Verbandsgeschäftsführer Charles Dallara.
Der Terminplan hat es nötig gemacht, heißt es. Vielleicht wollte Ackermann aber auch Angela Merkel den Triumph nicht gönnen, ihn persönlich niedergerungen zu haben. Denn am Ende stand ein Ergebnis, das die Kanzlerin in den frühen Morgenstunden lächelnd präsentieren konnte – müde, aber zufrieden.
Die Banken erlassen Griechenland die Hälfte der Schulden, so lautete die Botschaft. Außerdem sollen sie mehr als 100 Milliarden Euro frisches Kapital aufnehmen, um sich für künftige Verwerfungen zu wappnen. Schlagzeilen wie „Jetzt bluten die Banken“ wurden rasch getippt. Doch wie hart die Gipfelergebnisse die Finanzbranche wirklich treffen, ist keineswegs so klar, wie es am Morgen nach dem Verhandlungsmarathon erschien. Noch sind viele Details des Schuldenschnitts offen – und der Teufel könnte genau in diesen Details liegen.


An der Börse wurden die Beschlüsse aus Brüssel jedenfalls gefeiert, Finanzaktien wie die der Deutschen Bank und der Commerzbank legten zeitweise mit zweistelligen Raten zu – das deutet darauf hin, dass die Resultate so übel nicht waren für die Branche. „Die Banken haben sich in Brüssel gut aus der Affäre gezogen“, sagt der Münchener Finanzprofessor Christoph Kaserer.
Schon die oft verknappte Kernaussage aus Brüssel war irreführend: Griechenland bekommt keineswegs die Hälfte seiner Schulden erlassen. Denn rund ein Drittel des geliehenen Geldes kommt bereits von den EU-Staaten, dem Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank. Der Schuldenschnitt greift aber nur für die 200 Milliarden Euro, die bei privaten Gläubigern liegen. Für diese ist das Angebot freiwillig – das heißt, es ist vollkommen offen, wie viele tatsächlich mitmachen.
Als Verhandlungspartner der Regierungen saß nur der IIF am Tisch – die von ihm vertretenen Banken halten zusammen allerdings nur geschätzte 30 Milliarden Euro an Griechenland-Krediten. Dazu kommen 7,2 Milliarden Euro bei der Bad Bank der Hypo Real Estate, die zwar am Schuldenschnitt teilnehmen dürfte, deren Verluste aber direkt auf den Bundeshaushalt durchschlagen.
Rund 50 Milliarden entfallen auf griechische Banken. Diese werden zwar wohl ebenfalls teilnehmen – ihrem Verzicht stehen aber bis zu 30 Milliarden Euro gegenüber, die die Banken aus dem Rettungsfonds EFSF erhalten sollen, um die Belastung verkraften zu können. Der Rest entfällt auf allerhand Versicherer, Fonds, Pensionskassen und Privatanleger, auch innerhalb Griechenlands – inwiefern sie an der Umschuldung teilnehmen, ist schwer zu sagen.
Hier zeigt sich das Dilemma der zumindest formal freiwilligen Lösung. Die Euro-Länder scheuten eine offizielle Pleite Griechenlands, weil dies unter anderem zu kaum kalkulierbaren Verwerfungen auf den unübersichtlichen Derivatemärkten geführt hätte. Ausgerechnet die eigene Komplexität und Intransparenz schützte die Finanzbranche also vor größerem Ungemach.
EFSF garantiert die neuen Anleihen
Nun muss man den Gläubigern etwas bieten, damit die Umschuldung attraktiv für sie wird. Sie sollen ihre bisherigen Anleihen in neue Bonds umtauschen, die nur noch den halben Nominalwert haben, dafür aber teilweise vom EFSF garantiert werden. „Allein diese Garantie relativiert den Verzicht auf 50 Prozent der Forderungen, denn die neuen Anleihen sind ja sicherer als die alten“, sagt Kaserer.
Der Knackpunkt: Zinsen und Laufzeiten dieser neuen Anleihen müssen erst noch ausgehandelt werden. „Je nachdem, wie diese Konditionen ausfallen, kann der effektive Verzicht am Ende erheblich unter 50 Prozent liegen“, warnt Kaserer.
Angelsächsische Ökonomen spekulieren gar, bei vorteilhaften Bedingungen könnte der jetzige Schuldenschnitt für die Banken nicht schmerzhafter sein als der im Juli vereinbarte, der nur einen Verzicht auf 21 Prozent der Forderungen vorsah. Diese Ansicht ist allerdings umstritten. „Es ist ausgeschlossen, dass es unter dem Strich auf nur 21 Prozent Forderungsverzicht hinausläuft“, sagte IIF-Chefunterhändler Dallara der „Welt am Sonntag“.
Höhe der Bankenbeteiligung unklar
Manche Ökonomen springen ihm bei: Holger Schmieding von der Berenberg-Bank geht von einem substanziell höheren Einschnitt als noch im Juli aus. „Zwar wird man wahrscheinlich Rechnungen anstellen können, wonach dieser Kompromiss effektiv nicht 50, sondern nur 33 Prozent Abschlag für die Banken bedeutet. Aber wenn man mit denselben Annahmen arbeitet, ist die Juli-Vereinbarung auch nicht 21 Prozent wert, sondern nur noch 14 Prozent.“
Mittwoch, 26. Oktober, 15.13 Uhr: Das Ergebnis der EFSF-Abstimmung im Bundstag wird bekannt gegeben: 503 von 596 Abgeordneten stimmten dafür, 89 dagegen, 4 enthielten sich. Angela Merkel ist auf dem Weg nach Belgien.
16.45 Uhr: "Wir haben noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen und Verhandlungen zu führen", sagt die Kanzlerin in Brüssel und verschwindet in die Vorbesprechungen zum Gipfel. "Also die Arbeit ist noch nicht getan."
17.02 Uhr: 17 Minuten nach der Bundeskanzlerin kommt Großbritanniens Premier David Cameron. Ohne Zögern schreitet er zu den wartenden Journalisten: "Ich bin froh hier zu sein, es ist im britischen Interesse, dass wir diese Krise auch tatsächlich lösen."
17.24 Uhr: Nicolas Sarkozy fährt vor. Der französische Präsident steigt aus seinem Wagen und ruft einen Assistenten zu sich. Kein Wort zu den Medienleuten, "Monsieur le Président" verschwindet sofort im Ratsgebäude.
17.30 Uhr: Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou steigt aus seiner grauen Oberklassenlimousine. In seinem Statement spricht er von europäischen Idealen, die es zu bewahren gelte: Kooperation der Länder, sozialer Zusammenhalt und Solidarität ohne Vorurteile.
17.32 Uhr: Ein Sicherheitsmann will die Tasche von Jean-Claude Juncker durchsuchen, erkennt ihn dann aber. Der luxemburgische Premier kommt nach über einer halben Stunde wieder zum Gebäude zurück. Als Junker zuvor losgelaufen war, rief er nur: "Ich komme wieder".
17.52 Uhr: Silvio Berlusconi ist da. Seine dunkelblaue Limousine ist nicht das aktuelle Modell. Der italienische Ministerpräsident schält sich aus dem Rücksitz. Er lächelt gequält. Kein Wort von ihm.
18.04 Uhr: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagt, dass der Gipfel ein "Erfolg werden muss". Weiter: "Die Bevölkerung von Europa erwartet, dass wir etwas zustande bringen, das zu mehr Sicherheit und zu mehr Vertrauen in den Euro führt."
18.08 Uhr: Merkel schüttelt Hände, begrüßt ihre Kollegen.
18.14 Uhr: Der EU-Ratspräsident Herman van Rompuy eröffnet die Sitzung der 27 EU-Mitgliedsstaaten mit 14 Minuten Verspätung.
19.35 Uhr: Die große Runde ist zu Ende. Alle Nicht-Euro-Länder verabschieden sich und überlassen den 17 Euro-Staaten das Feld.
20.03 Uhr: Fredrik Reinfeldt, Schwedens Regierungschef, sagt auf seiner Pressekonferenz: "Ich glaube nicht, dass es heute Nacht eine endgültige Lösung geben wird."
20.48 Uhr: Das Treffen der Euro-Gruppe beginnt. Mehr als 90 Minuten später, als geplant.
22.18 Uhr: Arbeitsessen der Mächtigen Europas. Noch dringen keine Resultate nach Außen.
Donnerstag, 27. Oktober, gegen 0.00 Uhr: Merkel, Sarkozy und Juncker schalten sich in die Verhandlungen mit den Banken und Versicherern ein. Gemeinsam versuchen sie, die Finanzinstitute von einem möglichst hohen Schuldenschnitt für Griechenland zu überzeugen.
0.39 Uhr: Nach fast vier Stunden Verhandeln verbreiten sich Neuigkeiten: Auf die gigantische Summe von einer Billion Euro als Hebel-Resultat konnten sich die Staats- und Regierungschefs einigen.
3.20 Uhr: Journalisten schreiben hektisch SMS und tippen auf ihren Smartphones – Gerüchte über das Ende der Verhandlungen machen die Runde.
3.23 Uhr: Einigung! Private Gläubiger wie Banken und Versicherer verzichten auf 50 Prozent ihrer Forderungen gegenüber den Griechen - das berichteten die Diplomaten beim Euro-Gipfel.
4.00 Uhr: Kanzlerin Merkel gibt ihre Pressekonferenz in Brüssel, verkündet Resultate und gibt Details bekannt: "Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen."
4.23 Uhr: Sarkozy reist ab.
4.31 Uhr: Merkel sitzt in ihrer Limousine. Feierabend.
Doch sogar in dem Fall, dass die angepeilten 50 Prozent zumindest annähernd erreicht werden: Am Kapitalmarkt werden griechische Anleihen teilweise mit deutlich höheren Abschlägen gehandelt. Zumindest manche Investoren dürften mit einem Haircut von 50 Prozent also sogar Gewinn machen. Die Abschläge am Markt seien allerdings übertrieben und nur gerechtfertigt, wenn man davon ausgehe, dass Griechenland nicht mehr auf die Beine komme, sagt Bankenlobbyist Dallara: „Unter diesen Annahmen haben die Banken tatsächlich einen Vorteil. Aber davon gehen wir nicht aus.“
Die EU will weiteren Verwerfungen freilich dennoch vorbeugen – indem sie die Banken zwingt, ihr Eigenkapital zu stärken. Die Wirkung der Vorgaben ist aber zweifelhaft. Zwar müssen die Geldhäuser laut Bankenaufsicht EBA eine Eigenkapitallücke von 106 Milliarden Euro schließen. Höhere Kapitalquoten können sie aber nicht nur dadurch erreichen, dass sie frisches Geld auftreiben – sie können auch ihre Risikopositionen reduzieren.
Oder sie können in die Kiste der Rechentricks greifen. „Wenn sie versuchen, nur an den Risikomodellen zu schrauben, drehen wir uns im Kreis“, sagt Thomas Stögner, Bankenexperte beim Investmenthaus Macquarie. Denn zumindest die großen Banken dürfen nach geltenden Vorschriften in weiten Teilen selbst errechnen, wie riskant ihre Geschäfte einzustufen sind und mit wie viel Eigenkapital diese Posten in der Bilanz unterlegt werden müssen.
Wenig Entlastung für Athen
„An diesen Modellen wird permanent gedreht“, sagt ein Insider. Der Spielraum ist zwar nicht unbegrenzt, aber zehn bis zwanzig Prozent könnten sich rausholen lassen. Diese internen Risikomodelle müssen zwar von der Bankenaufsicht abgesegnet werden, aber unterschiedliche Handhabung innerhalb Europas ist frappierend.
So könnte das gesamte Paket von Mittwochnacht am Ende deutlich weniger bringen als gedacht. Das gilt nicht nur für die Rekapitalisierung, auch den Effekt der vereinbarten Umschuldung halten viele Experten für überschaubar. „Kurzfristig ändert sich der Kapitalbedarf in Griechenland durch diesen Schuldenschnitt weniger, als viele glauben“, sagt Schmieding. „Deshalb stellt er keine große Entlastung für das Land dar.“
Ökonomisch wäre ein späterer Schnitt aus seiner Sicht sogar geschickter gewesen, weil man dann klarer gesehen hätte, welche Schuldenlast Griechenland langfristig tragen kann. Doch womöglich ist der ökonomische Sinn der Gläubigerbeteiligung auch gar nicht zentral – sondern die politische Wirkung. „Sie ist vor allem ein wichtiges Signal, um weitere Hilfsmaßnahmen durchsetzen zu können“, sagt Schmieding.
Doch genau diese Wirkung könnte das Paket verfehlen – wenn es sich am Ende als Mogelpackung herausstellen sollte.
Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (29.10.2011) W
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