Aktuelle Nachrichten im Internet Montag, 20.05.2024, 08:06
Willkommen Gast | RSS
Hauptseite | Artikelverzeichnis | Registrieren | Login
» Menü

» Kategorien der Rubrik
Meine Artikel [214]

» Statistik

Insgesamt online: 1
Gäste: 1
Benutzer: 0

» Einloggen

Hauptseite » Artikel » Meine Artikel

Islam & Kunst: Mohammed muss leider draußen bleiben
Im Jahr 1978 veröffentlichte der amerikanischarabische Anglist Edward Said sein Buch „Orientalismus“, eine Streitschrift, die sich ihr Vokabular im Wesentlichen von Michel Foucault borgte. Der Westen, schrieb Said dort, habe sich im Orient schon seit den alten Griechen ein „feindliches Anderes“ konstruiert – ein perverses Zerrbild, das dazu gedient habe, sich überlegen zu fühlen. Mit der Wirklichkeit habe jene ideologische Konstruktion nichts zu tun.
Bei den Griechen, so Said, war jenes Andere das Perserreich, das ihnen als finstere Tyrannei erschienen sei; im christlichen Abendland war es dann der bärtige Muslim auf dem Pferderücken, der den Krummsäbel schwingt. Und heute werde die islamische Welt nur als Lieferant von Erdöl oder als Hort des Terrorismus wahrgenommen.
Goethe gegen Edward Said
Sprach ein westlicher Autor einmal freundlich über den Orient, sah Edward Said in einer tieferen Schicht doch wieder den alten, vertrauten, im Grunde rassistischen Orientalismus am Werk: den klammheimlichen Willen zur Unterwerfung. Für ihn gab es in der europäisch-amerikanischen Geistesgeschichte nichts als Dünkel, nichts als herablassende Verachtung gegenüber dem Rest der Welt.
Nun genügt es eigentlich, Goethes Werke aufzuschlagen, um Edward Saids wehleidige These zu widerlegen. Schließlich findet sich dort eine umfangreiche Sammlung mit dem Titel „West-östlicher Diwan“, die vom persischen Dichter Hafis inspiriert war. Vier berühmte Verse daraus lauten: „Wer sich selbst und andere kennt / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen.“ Anders als Said behauptet, gibt es in der europäischen Geistesgeschichte eben doch eine lange Tradition der Faszination und Begeisterung für den Orient, auch der soliden, vorurteilsfreien Forschung.
15 grandiose neue Galerieräume
Wenn es für die These vom ewig bösen Orientalismus aber einer endgültigen Widerlegung bedurft hätte, so wird sie dieser Tage vom Metropolitan Museum in New York geliefert. 2003 wurde dort jene Abteilung geschlossen, die sich der islamischen Kunst widmet; die Räume sollten gründlich umgebaut, die Sammlung erweitert werden. Jetzt endlich öffnet dieser Gebäudeflügel – er umfasst 15 Galerieräume – seine Tore, und was wir zu sehen bekommen, ist (ein anderes Wort trifft die Sache nicht) grandios.
Das Metropolitan Museum stellt Objekte aus der Türkei, den arabischen Ländern, dem Iran, Zentralasien und Südostasien aus; die zeitliche Spannweite reicht von der Herrschaft der Umayyaden bis ins 19. Jahrhundert.
Vielleicht ist das beste Symbol für das, was uns das Museum da in pädagogischer Ansicht zeigen will, ein nachgebauter Innenhof aus Marokko. Zierlich gedrechselte Säulen, eine prächtige Decke, in der Mitte plätschert sanft ein kleiner Marmorbrunnen. Diese Installation repräsentiert just das, was Edward Said nicht wahrhaben wollte. Dies ist das idyllische Bild der islamischen Welt, das seine westlichen Freunde im Hinterkopf haben.
Gleich daneben sehen wir Ausstellungsstücke aus al-Andalus, dem muslimisch beherrschten Spanien – unter anderem eine winzige hebräische Bibel, die von einem sefardischen Schreiber namens Mosche Ben Jaakow Qalif kalligrafiert wurde. Es ist deutlich zu erkennen, dass er sich dabei Handschriften des Korans zum Vorbild genommen hat. Gewiss, wir erinnern uns: Das „goldene Zeitalter Spaniens“, in dem Juden, Christen und Muslime einträchtig zusammenlebten, ist eine Legende aus dem 19. Jahrhundert.
So nett und friedlich ging es im maurischen Spanien nie zu. Keiner sollte vergessen, dass der Muslim der Herr im Haus war. Trotzdem sieht man die Jahreszahl neben der hebräischen Bibel – 1472 – und denkt daran, dass 20 Jahre später die christlichen Herrscher Ferdinand und Isabella die Juden von der Iberischen Halbinsel vertrieben haben, und zwar alle.
Zitate aus dem heiligen Buch
Das geschriebene Wort ist in diesen Räumen allgegenwärtig. Überall sehen wir arabische Schriftzeichen – sie ziehen sich als gemalte Wimpel und Fahnen über kostbare seidene Tücher und Porzellanteller, über Kannen und hohe Portale. Zitate aus dem heiligen Buch der Muslime, Liebesgedichte, Sprichwörter. Gleich am Eingang begrüßt uns ein prächtiges, großformatiges Koranmanuskript aus der Türkei, das in einem v-förmigen Ständer aus Holz ruht; dieser Ständer besteht seinerseits aus geschnitzten Buchstaben. Es ist schwer, davon nicht beeindruckt zu sein.
Ein ganzer Raum, hell erleuchtet und prächtig, hängt voller Teppiche, die meisten davon stammen aus dem Osmanischen Reich; einer von ihnen, der Simonetti-Teppich, der um 1500 in Kairo gewebt wurde, ist zehn Meter lang und leuchtet rosenrot und grasgrün. Mit heruntergeklapptem Unterkiefer stehen wir dann vor dem Damaskuszimmer.
Islamische Kunst hat keinen gemeinsamen Nenner
Ein Empfangsraum aus dem 18. Jahrhundert: der Fußboden aus verschiedenfarbigem Marmor, der sich zu schönen Mustern gruppiert, die Wände und die Decke ganz aus Holz und Blattgold. In die Wände sind Regale eingelassen, über den Regalen sehen wir wieder die arabische Wimpel- und Fahnenschrift. So etwas konnten diese Leute also machen, denken wir beinahe ergriffen, als noch kein Mensch den Namen des blutigen Diktators Baschar al-Assad kannte.
Wenn es in diesem Seitenflügel des Metropolitan Museum eine Hauptlektion zu lernen gibt, dann ist es diese: dass die islamische Kunst und Kultur sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen lässt. Was die Leute auf dem indischen Subkontinent schufen, sah ganz anders aus als die Werke aus dem Iran. (Dort etwa ist der chinesische Einfluss unverkennbar.) Die arabischen Künstler wiederum unterscheiden sich gründlich von jenen in der Türkei. Die islamische Kunst ist amorph, sie hat keine gemeinsame Formensprache; wahrscheinlich ist sie amorpher als die christliche Kunst.
Ach – und von wegen: Abbildverbot! Haben wir nicht alle in der Schule gelernt, den islamischen Künstlern sei das strenge Dogma auferlegt worden, keine menschlichen Formen abzubilden – und deshalb hätten sie sich dann umso wilder im Ornamentalen ausgetobt? Welch ein Unsinn: Die iranisch-islamischen Künstler schufen wundervolle Miniaturen, in denen es von Menschen nur so wimmelt.
Szenen etwa aus der „Schahname“ des persischen Dichters Firdausi, einem Epos, in dem mythische Könige, Engel, Dämonen und Jahrhunderte wild durcheinanderpurzeln. Nebenbei: Die vorislamische (zoroastrische) Epoche wird in der „Schahname“ jedenfalls nicht als abscheuliche „Zeit der Unwissenheit“ geschildert.
Vielleicht die größte Überraschung wartet dann aber in den Räumen mit der Kunst Südostasiens auf uns. Ein wilder roter Schiwa tanzt dort im Lotussitz und schwenkt seine Arme, um ihn herum schlagen rauchend Flammen aus dem Grund; ein Gläubiger betrachtet die Gottheit voller Ehrbietung. Das Bild wurde irgendwann zwischen 1630 und 1635 fertig gestellt, es soll von zwei Hofmalern namens Payag und Abid stammen. Einer von ihnen war ein Muslim, der andere ein Hindu. Wahrscheinlich hat der muslimische Herrscher Schah Radschan das Götzenbild als Geschenk an seinen Freund, den Hindu Rana Dschagat Singh, in Auftrag gegeben.
Und der Prophet? Wie steht es mit Abbildern von Mohammed? Jeder kann durch einfaches Googeln herausbekommen, dass es keineswegs immer verboten war, Mohammed zu zeichnen. In der Galerie, die dem Iran gewidmet ist, hängt dann auch in einer Ecke – beinahe findet man es nicht – ein Bild aus dem 16. Jahrhundert mit dem Titel „Das Schiff der Schia“, eine Allegorie über die verschiedenen Religionen. Das Gesicht des Propheten wird dort von einem feurigen Heiligenschein verdeckt und gleichsam verschleiert.
Das riecht nun leider nach einem faulen Kompromiss – als hätten die Kuratoren der Ausstellung (Sheila Canby und Navina Najat Haidar) in letzter Minute doch noch Angst vor islamischen Fundamentalisten bekommen. Sehr schade. Denn jene persischen Miniaturen, auf denen man das bärtige Gesicht von Mohammed unverschleiert zu sehen bekommt, sind wirklich schön.
Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (01.11.2011) W
Aufrufe: 565 | Rating: 0.0/0
Kommentare insgesamt: 0
Vorname *:
Email *:
Code *:
» Suche


Copyright MyCorp © 2024
Webhosting kostenlos - uCoz