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Fragen & Antworten: So teuer wird der Rettungsschirm für Deutschland
Deutschland und die anderen Eurostaaten werden 80 Mrd. Euro in den neuen Euro-Rettungsfonds einzahlen. Das abrufbare Kapital soll 620 Mrd Euro betragen, so dass sich insgesamt ein Umfang von 700 Mrd. Euro ergibt. "Welt Online" erklärt, was die Einigung der Finanzminister auf den neuen Rettungsschirm im Detail bedeutet.
Was wollen die EU-Regierungschefs am Donnerstag und Freitag beim Gipfeltreffen in Brüssel vereinbaren?
Sie wollen sich auf ein „Gesamtpaket“ einigen, dessen Ziel es ist, die Eurozone krisenfester und wettbewerbsfähiger zu machen. Das Paket ist die größte Reform der Eurozone seit ihrem Bestehen. Die wesentlichen Elemente sind: Stärkung des Stabilitätspaktes, die Einrichtung eines „Paktes für den Euro“ zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, die Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsfonds EFSF, die Gründung eines permanenten Krisenmechanismus zur Rettung von Krisenstaaten ab 2013 und eine Verpflichtung zur Rekapitalisierung von Banken, wenn sie gerettet werden müssen.
Wie soll der Stabilitätspakt geschärft werden?
Ziel sind neben einer besseren Haushaltskontrolle härtere und schnellere Strafen gegen Schuldensünder. Das Reformpaket besteht aus sechs Gesetzesvorschlägen, sie müssen allerdings noch vom EU-Parlament verabschiedet werden. Ganz wichtig: Die Euroländer müssen künftig bereits im Frühjahr über die Haushaltsplanung der kommenden Jahre informieren (‚Europäisches Semester’), damit die Partnerländer gegebenenfalls noch rechtzeitig einschreiten können. Zweite wichtige Neuerung: Sollten die Gesamtschulden eines Landes mehr als 60 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen, so muss der Teil, der über 60 Prozent liegt, jedes Jahr um ein Zwanzigstel abgebaut werden – davon sind fast alle Euroländer betroffen. Bei Verstößen müssen – ebenso wie bei der Überschreitung der Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent des BIP – zunächst ein unverzinsliches Pfand von 0,2 Prozent des BIP hinterlegt werden. Dieses Pfand wird in hohe Geldstrafen umgewandelt, wenn das Land die Schulden nicht vorschriftsmäßig abbaut.
Dritte wesentliche Veränderung: Die Blockade von Geldstrafen bei Regelverstößen wird deutlich erschwert, automatische Sanktionen gibt es aber nicht: Ein Strafverfahren muss auch künftig von den Finanzministern mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Läuft das Strafverfahren gegen ein Land erst einmal, können die Finanzminister es nur noch stoppen, wenn sie in kurzer Zeit eine qualifizierte Mehrheit dagegen organisieren können (‚reverse majority’). Viertens: Wirtschaftliche Schieflagen in einem Land, wie beispielsweise zu hohe Immobilienpreise oder exorbitante Exportüberschüsse, können durch eine Art Alarmsystem erkannt werden. Sollte das betroffene Land nicht reagieren, riskiert es Geldstrafen in Höhe von 0,1 Prozent des BIP. Ziel ist, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone zu reduzieren.
Wie können Krisenländer gerettet werden?
Dafür stehen zwei Instrumente zur Verfügung: Der derzeitige Krisenfonds (European Financial Stability Fund-EFSF) und ab 2013 der permanente Krisenmechanismus (European Stability Mechanism-ESM). Der EFSF soll am Ende bis zu 440 Mrd. Euro an Wackelkandidaten ausleihen können, dazu muss Deutschland seine bisherige Garantiesumme von 123 Mrd. auf etwas mehr als 200 Mrd. Euro erhöhen. Bisher hat nur Irland Kredithilfen erhalten, demnächst dürfte Portugal noch hinzukommen. Ab 2013 soll der ESM den jetzigen Rettungsfonds EFSF ablösen. Dazu wird der EU-Vertrag leicht geändert.
Worin unterscheiden sich die beiden Rettungsfonds?
Außer dem unterschiedlichen Rechtsstatus sind die wesentlichen Unterschiede: Der ESM ist eine Dauereinrichtung, es wird alle fünf Jahre geprüft, ob das Kreditvolumen noch „angemessen“ ist. Die Ausleihsumme liegt mit 500 Mrd. Euro höher als beim EFSF. Hinzu kommt, dass die Länder beim ESM nicht nur Garantien zur Verfügung stellen (Deutschland: 168 Mrd. Euro) sondern auch Bareinlagen. Die deutsche Bareinlage liegt bei 22 Mrd. Euro. Für diese Barzahlung muss sich Deutschland verschulden und Zinsen zahlen.
Griechenland steckt nach Prognose der Zentralbank tief in der Rezession fest.
Sie sagt für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von
mindestens drei Prozent voraus. „Die Rezession dämpft den privaten Konsum
und die Investitionen“, schrieben die Notenbanker. Im abgelaufenen vierten
Quartal 2010 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,4 Prozent
verglichen mit dem vorangegangenen Vierteljahr. Im dritten Quartal hatte es
bereits einen Einbruch um 1,7 Prozent gegeben.
Die ohnehin langsame Erholung der italienischen Wirtschaft ist Ende 2010 fast
zum Erliegen gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen Oktober und
Dezember nur um 0,1 Prozent zum Vorquartal – halb so stark wie erwartet. Im
dritten Quartal war das BIP noch um 0,3 Prozent geklettert. Während der
Export gut lief, hielten sich die Verbraucher beim Einkaufen zurück.
Experten trauen der italienischen Wirtschaft 2011 lediglich ein Wachstum von
einem Prozent zu.
Portugal kämpft gegen einen Rückfall in die Rezession. Im vierten Quartal
schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent. Im Sommer war die
Wirtschaft noch um 0,3 Prozent gewachsen. Experten befürchten eine Rückkehr
der Rezession, weil die Regierung im Kampf gegen die Schuldenkrise Steuern
erhöht und Löhne für Staatsbedienstete gekürzt hat, was den Konsum belastet.
Die Regierung rechnet zwar für 2011 mit einem Wachstum von 0,2 Prozent. Doch
die meisten Experten sagen ein Minus von bis zu einem Prozent voraus.
Spaniens Wirtschaft kämpft sich im Schneckentempo aus der Krise. Zum
Jahresende wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent. Experten sehen
gute Chancen, dass die Rezession überwunden ist und die Wirtschaft in diesem
Jahr in die Gänge kommt. Allerdings dürfte das Wachstum mager ausfallen,
weil die Krise am Bausektor und das harte Sparprogramm der Regierung
dämpfen. Diese rechnet für 2011 mit einem Plus von 1,3 Prozent, nach einem
Minus von 0,1 Prozent im alten Jahr. Viele Experten trauen Spanien aber nur
ein gut halbes Prozent Wachstum zu.
Auch in Irland läuft es nicht gut. Nur ein Prozent Wachstum erwarten
Notenbank, EU-Kommission und Internationaler Währungsfonds für das einstige
Boomland. 2010 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent. Während
der Export die Wirtschaft anschieben dürfte, sieht es für den privaten
Konsum schlecht aus. Die Regierung in Dublin hat im Gegenzug für das 85
Milliarden Euro große Hilfspaket von EU und IWF unter anderem den
Mindestlohn gesenkt und die Mehrwertsteuer angehoben. Reuters
Ein weiterer Unterschied: Ab 2013 können private Gläubiger im Rahmen einer Umschuldung an den Kosten einer Krise beteiligt werden. Das war eine wichtige deutsche Forderung, die in der Realität aber nur selten eine Rolle spielen dürfte. Gemeinsam ist beiden Hilfsfonds, dass sie nicht nur Kredite vergeben, sondern auch Anleihen direkt von den Krisenländern aufkaufen (‚Primärmarkt’) können.
Welche Fragen müssen beim EU-Gipfel noch geklärt werden?
Offen ist noch, wann Portugal Milliarden-Kredite aus dem EFSF beantragen wird. Das Land steht unter starkem Druck der Partnerländer, endlich Hilfen zu akzeptieren, um Ruhe in die Märkte zu bringen – Lissabon sträubt sich aber noch, weil die Regierung die harten Spar-Auflagen fürchtet. Offen ist auch noch, wie hoch der Strafzins für die Milliarden-Kredite an Irland ist. Brüssel fordert für eine Senkung von sechs auf fünf Prozent im Gegenzug eine Erhöhung der irischen Unternehmenssteuern. Dublin lehnt ab, es dürfte aber beim EU-Gipfel einen Kompromiss geben.
Welche Rolle spielt der „Pakt für den Euro“?
Keine. Die Deutschen haben darum gekämpft, die Pläne wurden aber so verwässert, dass der Pakt wertlos ist. Er hat keine bindende Wirkung, es gibt keine Sanktionen. Einziger Zweck ist: Kanzlerin Angela Merkel kann den Pakt als Marketinginstrument im Bundestag einsetzen. So beurteilen die drei großen Ratingagenturen die Bonität der Eurostaaten... BelgienS&P: AA+Moody’s: Aa1Fitch: AA+ DeutschlandS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA EstlandS&P: AMoody’s: A1Fitch: A FinnlandS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA FrankreichS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA GriechenlandS&P: BB+Moody’s: B1Fitch: BB+ IrlandS&P: A-Moody’s: Baa1Fitch: BBB+ ItalienS&P: A+Moody’s: Aa2Fitch: AA- LuxemburgS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA MaltaS&P: AMoody’s: A1Fitch: A+ NiederlandeS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA ÖsterreichS&P: AAAMoody’s: AaaFitch: AAA PortugalS&P: A-Moody’s: A3Fitch: A+ SlowakeiS&P: A+Moody’s: A1Fitch: A+ SlowenienS&P: AAMoody’s: Aa2Fitch: AA SpanienS&P: AAMoody’s: Aa2Fitch: AA+ ZypernS&P: AMoody’s: A2Fitch: AA- Quelle: Reuters, Stand: 16. März 2011
Wird die Eurozone zur Transferunion?
Im Prinzip ja. Das eherne Prinzip der Währungsunion, dass jedes Land seine Probleme selbst lösen muss (‚No-Bailout’) wurde begraben. Ein komplizierter Milliarden-Dauerrettungstropf wurde eingerichtet: Jeder Schuldensünder kann sich jetzt auf Rettung verlassen.
Wie viel kostet die Euro-Rettung die deutschen Steuerzahler?
Das ist unklar, aber die Rettung wird ganz gewiss viel teurer als die Bundesregierung behauptet. Warum? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Griechenland, Irland und möglicherweise Portugal die Milliarden-Kredite jemals in vollem Umfang zurückzahlen können. Da die europäischen Steuerzahler aber dafür bürgen, müssen sie auch die Zeche zahlen. Dabei wird die Belastung für Deutschland mit Abstand am höchsten sein – eine Milliarden-Belastung für Generationen. Hinzu kommen noch als kurzfristige zusätzliche Belastungen die Schulden-Zinsen für eine höhere Neuverschuldung infolge des ESM und möglicherweise höhere Zinsen für deutsche Staatsanleihen wegen sinkender Bonität.
Werden die neuen Maßnahmen die Euro-Krise beenden?
Das kann man nur hoffen, es ist aber nicht zu erwarten. Experten bezweifeln, dass der verschärfte Stabilitätspakt in der Praxis voll angewendet wird. Außerdem dürften die südeuropäischen Länder künftig wirtschaftlich noch weiter zurückfallen. Hinzu kommt, dass die 500 Mrd. Euro für den ESM nur theoretischer Natur sind: In der Praxis ist der ESM ein Fass ohne Boden – anders könnte er im Ernstfall auch nicht funktionieren.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (22.03.2011)
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