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Radioaktive Belastung: So viel Tschernobyl steckt im deutschen Wildschwein
Der Ostwind wehte die radioaktive Wolke nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl auch nach Deutschland. Mit dem Regen gelangten strahlende Partikel auf den Boden – vor allem in Südbayern, Teilen Frankens und einigen Landstrichen zwischen Magdeburg und Schwerin. Radioaktives Gemüse wie Salat, Spinat und Spargel musste in den folgenden Wochen vernichtet werden. Durch stark belastete Futterpflanzen kam es zu einer Anreicherung von Cäsium 137 in der Milch.
In einem aufwendigen Verfahren wurden rund 5000 Tonnen verseuchtes Molkepulver entsorgt. Der Sand auf Kinderspielplätzen wurde ausgewechselt und Acker umgepflügt. Und in die Verwirrung um die nötigen Grenzwerte für Lebensmittel mischte sich eine große Sorge um die langfristigen gesundheitlichen Folgen. 25 Jahre nach der Katastrophe gibt es dazu zahlreiche Studien und Einschätzungen. Doch noch immer streiten Wissenschaftler darüber, ob und welche Folgen das Unglück in Tschernobyl nun für die Gesundheit hatte.
Sicher ist, dass das radioaktive Jod 131 mit einer Halbwertszeit von acht Tagen zu schnell zerfallen ist um langfristig Schaden an Mensch oder Tier zu verursachen. Beim langlebigen Cäsium 137 sieht das anders aus. Nur alle 30 Jahre zerfällt die Hälfte seiner Atomkerne. Es wird im Erdreich gespeichert, von Tieren und Pflanzen aufgenommen und gelangt so zeitverzögert in die Nahrungskette. Einmal im Körper, wird es unter anderem in Muskel- und Nervenzellen eingelagert.
Mehr Neugeborene mit Gaumenspalte nach Tschernobyl
Das Bundesamt für Strahlenschutz schließt direkte Strahlenschäden in Deutschland aus. Dafür sei die zusätzliche Belastung durch das Reaktorunglück zu gering gewesen. Bereits 1987 habe sie bei maximal 50 Prozent der jährlichen natürlichen Strahlenbelastung von 2,1 Millisievert gelegen und werde auf 50 Jahre hochgerechnet vier Millisievert nicht übersteigen.
Diejenigen, die glauben, gesundheitliche Schäden nachweisen zu können, haben eine lange Liste von Studien parat. Nach Untersuchungen des früheren Leiters des Instituts für Humangenetik an der Berliner Charité Karl Sperling häufte sich neun Monate nach Tschernobyl die Zahl der Kinder, die mit Downsyndrom zur Welt kamen.
In der damaligen DDR und in Bayern kamen nach Tschernobyl fast zehn Prozent mehr Neugeborene mit einer Gaumenspalte auf die Welt. Und insgesamt stieg die Zahl der Totgeburten und der Kinder, die in der ersten Woche nach der Geburt starben, deutschlandweit um fünf Prozent.
Nach einer Studie von Sebastian Pflugbeil, dem Präsidenten der Gesellschaft für Strahlenschutz, erkrankten zudem nach 1986 in der alten Bundesrepublik anderthalb Mal so viele Kinder im ersten Lebensjahr an Leukämie wie im Durchschnitt der 80er-Jahre. Und vor allem im Süden Deutschlands trat auffallend häufig das sogenannte Neuroblastom auf, ein sehr seltener Tumor.
Alfred Körblein vom Umweltinstitut München schätzt auf der Basis von Langzeitstudien zu Hiroshima und Nagasaki, dass 50 Jahre nach Tschernobyl insgesamt rund 8000 Menschen in Deutschland an strahlenbedingten Krebsfolgen gestorben sind. Das sei jedoch eine Schätzung. „In Deutschland sterben rund 200.000 Menschen pro Jahr an Krebs, die Zahlen und Ursachen schwanken ständig.“ Es sei einfach statistisch nicht möglich, nachzuweisen, woher der Krebs nun genau gekommen sei.
Zudem gibt es in Deutschland kein zentrales Krebsregister, und das Statistische Bundesamt sammelt erst seit 1993 Daten über Krebsfälle. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat auch dazu eine Stellungnahme abgegeben. Demnach beträgt das Risiko, an einer strahlenverursachten Krebserkrankung zu sterben, etwa 1,2 Prozent pro 100 Millisievert.
Wildschweine sind besonders häufig radioaktiv belastet
Während von 10.000 Personen zwischen 2000 und 2500 spontan Krebs entwickeln, würden in Deutschland bei einer Strahlenbelastung von 100 Millisievert zusätzlich etwa 120 diese Strahlenbelastung entwickeln. Die zusätzliche Strahlenbelastung über die Lebenszeit läge mit vier Millisievert jedoch weit darunter – strahlenbedingte Krebserkrankungen lassen sich so nur sehr schwer nachweisen.
Noch immer ist eine erhöhte radioaktive Belastung der Böden vor allem im Süden Bayerns nachweisbar. Nach Angaben des Bundesamt für Strahlenschutz überschreiten etliche Pilzarten die Grenzwerte. Besonders belastet aber sind nach wie vor Wildschweine, und die Belastung wird nach Einschätzung der Behörde bis 2030 auch nicht signifikant zurückgehen. Auch im vergangenen Winter mussten erlegte Wildschweine vernichtet werden, weil sie verstrahlt waren. Die Tiere fressen besonders gern sogenannte Hirschtrüffel sowie Maronenröhrlinge, die als Radionuklidsammler gelten, erklärt der Bayerische Jagdverband. Etwa zwei Prozent der 45.000 bis 50.000 Wildschweine, die in Bayern pro Jahr erlegt werden, liegen über dem Grenzwert von 600 Becquerel.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (26.04.2011)
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