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Meinung | Steuerreform: Kirchhofs Entwurf hat das Zeug zum Befreiungsschlag
Vermutlich ist es eine List der Geschichte, dass Paul Kirchhofs Steuerkonzept in einer Woche vorgestellt wird, in der die geneigte Öffentlichkeit studieren kann, wie sich fast alle Parteien als Gärtner und Hüter jenes Steuerdschungels mühen, der den Deutschen in den letzten Jahrzehnten erwachsen ist. Anders als im Regenwald sind die Blüten dieses Wildwuchses wenig ansehnlich. Mehr erinnert es an die düstere Hermetik kafkascher Albträume.
Gemeint ist mit dem Begriff, dass im deutschen Steuersystem kleinere
Lohnerhöhungen zu einem sinkenden Realeinkommen führen können.
Wenn ein Arbeitnehmer eine Lohnerhöhung bekommt, die lediglich so groß ist wie
die Inflation, rutscht er oftmals in einen höheren Steuertarif. Er gibt dem
Staat also einen höheren Prozentsatz seines Einkommens ab als vorher. Die
höhere Besteuerung führt somit zu einem Verlust.
Der Steuerzahler hat kein höheres Realeinkommen, sondern sogar ein geringeres:
Er kann sich – rein rechnerisch – mit seinem neuen Einkommen weniger kaufen
als mit seinem alten.
Darunter versteht man die besonders steil steigenden Steuertarife in einem
bestimmten Einkommensbereich, die viele Durchschnittsverdiener treffen. Wer
im unteren und mittleren Einkommensbereich etwas mehr Geld verdient, rutscht
schnell in einen höheren Steuertarif.
Union und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Mittelstandsbauch
"abzuflachen“. Dazu solle der Einkommensteuertarif zu einem Stufentarif
umgebaut werden. "Der Tarif soll möglichst zum 1.1.2011 in Kraft treten“,
heißt es im Koalitionsvertrag – dazu ist es allerdings nicht gekommen.
Quelle: dapd
In aktuellen Debatten wird die Steuer vor allem als Umverteilungsinstrument verstanden, das in einer Art zivilreligiösem Opfergang den Zusammenhalt der Gesellschaft rituell bestätigen soll. Dass dabei eine milliardenteure Finanzbürokratie entstand und eine Schattenwirtschaft für „Schiffsfonds, Schrottimmobilien und Verlustzuweisungsgesellschaften“, wie Kirchhoff dies munter zusammenfasst, scheint kaum zu empören.
Einheitsbesteuerung ohne Abschreibungsmöglichkeiten
Steuergerechtigkeit gibt es selten, weil das Verordnungsgestrüpp denjenigen belohnt, der in waghalsigen und nur selten gemeinwohlorientierten Abschreibungspraktiken jene finanziellen Vorteile wieder heraushandelt, die ihm der Staat vorher zwangsweise geraubt hat. Paul Kirchhof, von Gerhard Schröder im Wahlkampf 2005 als „Professor aus Heidelberg“ berühmt gemacht, hat seine öffentliche Hinrichtung durch die Politik nicht vergessen, aber es hat seine konstruktive Form zivilen Widerstands nicht gebrochen. Er, der klassischste der klassischen Bildungsbürger, schämte sich vor seinen Studenten, ihnen jenes Steuerrecht beizubringen, das vor allem absurd ist. Deshalb schlägt er eine einfache, niedrige und gerechte Einheitsbesteuerung aller Einkommen vor, bei gleichzeitiger Abschaffung aller Abschreibungsmöglichkeiten. Das Bundesfinanzministerium hat die Ergebnisse der jüngsten Steuerschätzung bekannt gegeben... Für 2011 werden insgesamt 555 Milliarden Euro an Steuereinnahmen erwartet. Das sind 17,6 Milliarden mehr, als bei der Schätzung im November 2010 vorhergesagt. Von den 555 Milliarden entfallen 237,3 Milliarden auf den Bund, 217,3 Milliarden auf die Länder und 72,7 Milliarden auf die Gemeinden. 26,6 Milliarden werden direkt an die EU weitergeleitet. Bis 2015 sollen die Steuereinnahmen jedes Jahr ansteigen. Für 2015 werden Einnahmen in Höhe von 652,3 Milliarden vorhergesagt. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 wurden 530,6 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Quelle: dapd
Vor genau einem Jahr hatte Kirchhof seine Ideen auf Einladung von Frank-Walter Steinmeier der SPD präsentiert und dabei überraschend Applaus erhalten. Auch, weil er deutlich machen konnte, dass der soziale Charakter dieses Konzeptes verhindert, dass einige Schlaumeier mit hohem Einkommen winzige Steuern zahlen und andere sich für diesen Wahn wenig begeistern können, und bestraft werden. Die SPD hat ihr durchgesickertes Steuererhöhungskonzept zurückgezogen und will es neu überdenken. Geschieht da ein Wunder? Es wäre zu wünschen, dass den Deutschen nach der Energiewende nun eine Steuerwende gelingt. Kirchhofs Entwurf hat das Zeug zu einem Befreiungsschlag im besten Sinne: es würde dieses Land zu einem anderen, moderneren, leichteren und leistungsfähigeren machen. Angela Merkel sah in Paul Kirchhof einst eine Säule ihrer politischen Weltordnung: es bleibt ihr, ihrer Partei und dem Land zu wünschen, dass sie sich daran erinnert.
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (28.06.2011)
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