» Statistik |
Insgesamt online: 1 Gäste: 1 Benutzer: 0 |
|
Japans Atom-Katastrophe: Horror von Fukushima überfordert die Krisenmanager
Eigentlich ist es eine nebensächliche Geschichte. Nebensächlich angesichts all der Horrormeldungen von Strahlenbelastung, immer wieder unterbrochenen Reparaturarbeiten am Reaktor und großflächig vom Tsunami verwüsteten Landschaften. Aber sie erzählt einiges darüber, wie groß die Angst im Land geworden ist:
Aus Furcht vor der radioaktiven Strahlung aus Fukushima stellte sich am Wochenende ein in Japan untergetauchter Chinese den Behörden. Er wollte nach China ausgewiesen werden, das Land, aus dem er einmal geflohen war. Er war vor zehn Jahren nach Japan gekommen und blieb nach Ablauf seiner Aufenthaltsberechtigung illegal im Land. Er lebte zuletzt in einer Nachbarprovinz von Tokio. Als das Erdbeben und der Tsunami das Atomkraftwerk in Fukushima beschädigten und Radioaktivität austrat, hatte er es mit der Angst zu tun bekommen und war bis nach Nagasaki geflohen.
Wer könnte sich auch beruhigen angesichts der Nachrichten, die aus Fukushima kommen? Mehr als zwei Wochen nach dem Erdbeben gibt der Kampf gegen die atomare Katastrophe noch immer ein niederschmetterndes Bild ab, geprägt von Rückschlägen und Notlösungen, von immer wiederkehrenden Nachbeben und Evakuierungen der Arbeiter vor Ort. So war es in den letzten 15 Tagen, so war es auch gestern wieder.
Das traurige Bild verfinsterte sich zunächst weiter durch die Zahlen, die von der Betreiberfirma Tepco herausgegeben wurden. Demnach lag die Strahlung im Reaktor 2 zehn Millionen Mal höher als der Normalwert. Die Radioaktivität wurde in ausgetretenem Wasser in Reaktor 2 gemessen, sagte Tepco-Sprecher Takashi Kurita.
Gemessen wurden demnach 1000 Millisievert (mSv) pro Stunde – ein Wert, der nach Einschätzung der US-Umweltbehörde schnell schwere Blutungen auslöst und tödlich sein kann. Zwar zog Tepco die Zahlenwerte im Lauf des Tages zurück und begründete sie mit einer falschen Messung. Aber der düsteren Stimmung vor Ort tat dies keinen Abbruch. Und der ohnehin beschädigten Glaubwürdigkeit des Betreibers versetzte es einen weiteren Schlag. Die Arbeiter waren zuerst zurückgerufen worden. Bereits zuvor hatte die Reaktorsicherheitsagentur NISA in dem Wasser an Reaktor 2 eine hohe Konzentration des Isotops Jod-134 festgestellt. Das könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen, hatte es geheißen. Nach früheren Angaben stand das Wasser an Reaktor 2 einen Meter hoch.
Der Betreiber Tepco versuchte, das Wasser abzupumpen, damit weiter an der Verkabelung der Kühlanlagen gearbeitet werden kann. Das radioaktive Wasser steht bis zu einem Meter hoch in den Turbinenhäusern aller vier Reaktorblöcke von Fukushima 1. Der Betreiber Tepco konzentrierte sich zunächst darauf, mehr und mehr Süßwasser in die havarierten Reaktoren von Fukushima 1 zu pumpen.
Im Laufe des Sonntags sollten stärkere Pumpen eingesetzt werden, kündigte die Reaktorsicherheitsbehörde NISA an. Anfangs hätten nur Pumpen von Feuerwehrwagen genutzt werden können, sagte NISA-Sprecher Hidehiko Nishiyama. Mit der Wiederherstellung der Stromzufuhr sollen auch die mächtigeren Maschinen des regulären Kühlsystems wieder laufen. Ein Teil der Technik benötige aber Gleichstrom, an dem noch gearbeitet werde.
Am Sonntag sollte testweise auch die Klimaanlage im Reaktorblock 1 eingeschaltet werden. In die Reaktoren und Becken mit abgebrannten Brennstäben war zunächst Meerwasser gepumpt worden. Experten befürchten aber, dass verdampfendes Meerwasser Salzkrusten zurücklässt. Sie könnten sich etwa zwischen den heißen Brennstäben festsetzen und den Fluss des kühlenden Wassers behindern. Die Situation in den sechs Reaktorblöcken des havarierten Atomkraftwerks in Fukushima ändert sich von Tag zu Tag. Hier eine Übersicht zur aktuellen Situation: Grundlage sind die offiziellen Angaben der Regierung, der Atomsicherheitsbehörde NISA und des Betreibers Tepco. BLOCK 1 (Explosion am 12.3.): Die Beleuchtung im Kontrollraum funktioniert wieder. Am Sonntag wurde die Kühlung des Reaktors und des Abklingbeckens mit Süßwasser fortgesetzt. BLOCK 2 (Explosion am 15.3.): Kühlung mit Süßwasser von außen. Am Sonntag wurde von einer Strahlenbelastung des Wassers im Turbinenraum von 1000 Millisievert pro Stunde berichtet. Laut NISA fand sich eine hohe Konzentration des Isotops Jod-134 im Wasser. Dies könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen. BLOCK 3 (Explosion am 14.3.): Die Beleuchtung im Kontrollraum ist intakt, die Kühlung mit Wasser läuft seit Freitag und wurde am Sonntag fortgesetzt, allerdings mit Meerwasser. Wegen MOX-Brennelementen mit Plutonium gilt dieser Reaktor als besonders gefährlich. Vermutlich sind der Reaktorbehälter oder das Abklingbecken für abgebrannte Kernbrennstäbe beschädigt. BLOCK 4 (Explosion und Brand am 15.3.): Demnächst soll das Licht im Kontrollraum wiederhergestellt sein. Hinweise auf eine Überhitzung des Abklingbeckens für abgebrannte Kernbrennstäbe. Mit Frischwasser soll versucht werden, die Brennstäbe im Abklingbecken zu kühlen. Bisher schließt Tepco ein Leck im inneren Reaktorbehälter aus. BLOCK 5: Nach Angaben von Tepco ist das reguläre Kühlsystem inzwischen wieder repariert. Eine defekte Pumpe sei ausgetauscht worden, die Kühlung laufe. BLOCK 6: Galt weiter als stabil.
Deswegen wird inzwischen so weit möglich Süßwasser statt Salzwasser eingesetzt. Unter anderem sei die US-Marine mit einer großen Wasserladung unterwegs. Die Reaktorblöcke 1 bis 3 werden derzeit von Meer- auf Süßwasser umgestellt. Ins Abklingbecken des vierten Reaktors, in dem abgebrannte Brennelemente gekühlt werden müssen, werde aber weiterhin Salzwasser geleitet, kündigte der NISA-Sprecher an. Die Kapazitäten seien begrenzt – so stand bisher für Reaktor 1 nur eine Pumpe zur Verfügung. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Dampf aus den Reaktorgebäuden austrat.
Auch im Hinblick auf die Fürsorge für seine Mitarbeiter hinterließ Betreiber Tepco keinen guten Eindruck. Die drei zuletzt in Fukushima verstrahlten Arbeiter wurden, wie gestern bekannt wurde, nicht vor der gefährlichen Radioaktivität am dritten Reaktorblock gewarnt. Tepco räumte ein, dass ihm die drastisch erhöhten Strahlenwerte an dem Reaktor bekannt gewesen seien. „Wenn der Informationsaustausch ordentlich funktioniert hätte, wäre der Zwischenfall möglicherweise verhindert worden“, sagte ein Tepco-Manager der Zeitung „Yomiuri“. Zugleich habe ein Teil der Arbeiter beim Verlegen von Stromleitungen Alarmsignale missachtet. Seit Beginn der Krise in dem Atomkraftwerk wurden 17 Arbeiter verstrahlt. Zwei kamen mit Verbrennungen ins Krankenhaus, weil sie in dem verseuchten Wasser gestanden waren.
Das radioaktive Wasser steht in den Turbinengebäuden aller vier Reaktorblöcke von Fukushima 1 Die Turbinenräume schließen direkt an die Reaktorblöcke an. In ihnen stehen die großen Stromgeneratoren, deren Rotorblätter von dem am Reaktor aufgeheizten Dampf in Schwung gebracht werden. Das strahlende Wasser soll vorerst in den großen Kondensationsbecken gesammelt werden, in denen normalerweise der Dampf abgekühlt wird. Das verstrahlte Wasser in Block 1 enthält große Mengen von Cäsium-137.
Die Reaktorsicherheitsbehörde veröffentlichte am Samstag eine Analyse dieses Wassers. Insgesamt wurden acht radioaktive Substanzen festgestellt. Nach der Aufnahme in den Körper kann Cäsium-137 anstelle des chemisch ähnlichen Elements Kalzium in die Knochen eingebaut werden. Damit würde diese Strahlenquelle die Betroffenen über lange Zeit gefährden, denn erst nach etwa 30 Jahren ist die Hälfte der radioaktiven Atome zerfallen (Halbwertszeit).
Jod-131 hat eine Halbwertszeit von nur acht Tagen. Bei vorherigen Messungen war der Gehalt des Isotops Jod-131 im Meerwasser nahe der Anlage bereits 1250-fach erhöht. Die Verseuchung im Pazifik kommt vermutlich daher, dass radioaktives Wasser aus dem Atomwrack ins Meer geflossen ist, wie Tepco einräumte. Viele Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die Konzentration der radioaktiven Substanzen im Meer schnell verdünnt, sodass derzeit keine größere Gefahr für Mensch und Umwelt bestehe. Ist Besserung in Sicht? Nach Einschätzung des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, noch lange nicht. Es sei immer noch unklar, ob die Reaktorkerne und die abgearbeiteten Brennstäbe mit Wasser bedeckt seien und ausreichend gekühlt werden könnten. Es müsse noch mehr getan werden, um die Krise zu beenden, sagte Amano der „New York Times“.
Die teilweise Wiederherstellung der Stromversorgung am Atomkraftwerk Fukushima?1 sei zwar ein gutes Zeichen. Sorge machten ihm aber die abgebrannten Brennstäbe, die weiterhin gekühlt werden müssen. Angesichts der hohen Temperatur reiche es auf Dauer nicht, sie einfach nur mit Wasser zu bedecken. Auch die hohe radioaktive Belastung im Umkreis des Atomkraftwerks sei besorgniserregend.
Seiner tiefen Sorge über den Zustand seines Landes hat der Kaiser schon mit öffentlichen Worten gedacht – eine für einen Tenno sehr ungewöhnliche Geste. Dabei beließ er es nicht: Am Wochenende ließen der 77-jährige Tenno Akihito und seine Frau Michiko Baderäume für Bedienstete in ihrer kaiserlichen Villa im ostjapanischen Ort Nasu nahe der Unglücksregion für Opfer des Erdbebens und Tsunamis öffnen.
Erste Obdachlose aus einem Notlager in der Nachbarprovinz Fukushima, wo viele Menschen seit Tagen bei Kälte und Versorgungsmangel ausharren, konnten dadurch endlich wieder ein heißes Bad nehmen.
Bisher 8 Kommentare: Jetzt laden
|
Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (27.03.2011)
W
|
Aufrufe: 392
| Rating: 0.0/0 |
|
|
|