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Euro-Krise: Kanzlerin Merkel auf dem falschen Krisenkontinent
Angela Merkel reist nicht durch die Welt. Sie rast durch die Welt. Die Bundeskanzlerin ist bekannt für die dichten Programme, die sie und ihre Delegationen an den Rand der Leistungsfähigkeit bringen. Gerade etwa besucht sie drei afrikanische Staaten in drei unterschiedlichen Ecken des Kontinentes in drei Tagen. Merkel absolviert Staatsbesuche in einem so hohen Tempo, dass es wirkt, als fürchte sie, zu Hause etwas zu verpassen.
Und genau das passiert ihr auch immer wieder. Im vergangenen Frühjahr erschütterte die Ankündigung des Rückzugs von Roland Koch die CDU – und erwischte die Parteivorsitzende in den arabischen Emiraten. Diesmal ist es freilich noch schlimmer. Denn diesmal geht es nicht um die Partei, sondern um das Land, ja den ganzen Kontinent. Die Euro-Krise eskaliert – und Merkel hängt irgendwo zwischen Kenia und Angola. Afrika statt Europa - hat sich die Kanzlerin in dieser denkwürdigen Woche tatsächlich den falschen Krisenkontinent ausgesucht?
Merkel und ihre Leute nutzten die modernen Kommunikationsmittel, um dieses Manko auszugleichen. Die Kanzlerin telefoniert am Montag mit ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble in Brüssel und hält wohl auch Kontakt mit ihrem Außenminister Guido Westerwelle, der sich zu allem Unglück auch noch außer Landes befindet: beim Weltsicherheitsrat in New York.
Merkels engste Berater in der Währungskrise sind aber in Berlin: Ihr wirtschaftspolitischer Chefberater Lars-Hendrik Röller fehlte überraschend im Regierungsflieger nach Afrika, obwohl es dort vor allem um Wirtschaftsinteressen ging. Merkels Europa-Berater Nikolaus Meyer-Landruth blieb sowieso in Berlin an Deck.
Berater erst wenige Monate im Amt
Allerdings sind beide erst wenige Monate im Amt: Merkel musste mitten in der Euro-Krise wichtige Berater ersetzten. Ihr ehemaliger Wirtschaftsberater Jens Weidmann leitet jetzt die Bundesbank. Ihr ehemaliger Euro-Experte Uwe Corsepius wirkt jetzt als Generalsekretär des Europäischen Rates auf eigene Rechnung in Brüssel. Zufall oder Absetzbewegungen? Jedenfalls ein Brain drain aus der Regierung zur Unzeit.
Und die Kanzlerin selbst fehlt ja auch – gewissermaßen. Merkel selbst war in den vergangenen Wochen vor allem mit der Energie-Wende beschäftigt. Diese ruckartige Aktion, deren Tempo am Rande der Verfassung war, band alle Kräfte. Wenn Merkel also abgelenkt war, dann durch das Atom, nicht durch Afrika. Denn ihre Aktivitäten hier forderten höchstens eine Gehirnhälfte des erwiesenen Multi-Tasking-Talents. Als Merkel am Dienstagmorgen etwa mit dem kenianische Präsident Mwai Kibbaki eine Ehrengarde der Luftwaffe abschritt und anschließend auf ein dringend benötigtes Anti-Korruptionsgesetz ansprach, war sie mit dem Kopf eigentlich in Brüssel.
Auch die Aktivitäten des Nachmittages, die Unterzeichnung einer „Vereinbarung zur Errichtung eines Büros des Delegierten der deutschen Wirtschaft“ und eines Projektvertrag zum Forschungsvorhaben „Anpassung an den Klimawandel für tierabhängige Wirtschaftssysteme“ forderten die Kanzlerin nicht wirklich.
In der Universität von Nairobi lauschte sie einer Laudatio während sie immer wieder verstohlen auf ihr Handy schaute – um SMS in Sachen Euro zu lesen?
Kanzlerin bleibt demonstrativ gelassen
Merkel lässt sich jedenfalls nicht nervös machen. Geradezu demonstrativ zieht sie in Afrika ihr Programm durch, hat einen Abbruch der Reise nie erwogen. Das würde die Märkte nur noch nervöser machen, heißt es auch ihrer Delegation. Nerven zeigt Merkel bisher wirklich nicht, eine Getriebene aber ist sie doch. Es sind nämlich gleich vier Unfälle eingetreten, die sie alle nicht für möglich gehalten hat. Erstens, das nächste Sparprogramm Griechenlands, auf das Merkel gesetzt hatte, kam nicht zustande. Zweitens, die Banken kassierten ihre bereits gegebenen Zusagen eines eigenen Beitrages zur Umschuldung Griechenlands scheibchenweise wieder ein. Drittens, Silvio Berlusconi desavouierte völlig überraschend seinen Finanzminister und rückte Italien ins Visier der Märkte. Viertens, die Europapolitiker Jean-Claude Juncker, Jose-Manuel Barroso und Hermann van Rompey jazzten ein Treffen, das in den Augen der Kanzlerin nur ein Routinetermin war, zum „Geheimtreffen“ hoch.
Von diesem Knäuel aus Unvorhergesehenem und Unvorhersehbarem fühlt sich Merkel überrascht – und muss es nun aus Afrika entwirren. Bewertung der langfristigen Kreditwürdigkeit... AAA: Höchste KreditqualitätDeutschland, Großbritannien, USA AA+Australien, Belgien, Spanien AA: Sehr hohe KreditqualitätJapan, Kuweit, Slowenien AA-Italien, Saudi-Arabien A+China, Südkorea, Tschechien A: Hohe KreditqualitätEstland, Israel A-Zypern, Malaysia, Polen BBB+Irland, Südafrika BBB: Gute KreditqualitätBrasilien, Mexiko, Russland BBB-Portugal, Ungarn, Tunesien BB+Island, Indonesien, Türkei BB: Spekulativ, erhöhtes AusfallrisikoÄgypten, El Salvador, Uruguay BB-Angola, Nigeria, Serbien B+Griechenland, Venezuela, Vietnam B: Hochspekulativ, erhebliches AusfallrisikoArgentinien, Mosambik, Ukraine B-Ekuador, Jamaika Quelle: Fitch Ob sie schon einen Plan hat? In Afrika wirkte Merkel vor allem entschlossen, ihre bisherige Linie zu halten. Eine Bestätigung für den von Brüsseler Diplomaten ins Spiel gebrachten Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag gab es aus ihrer Delegation nicht. Wer Merkel kennt, weiß: Die Kanzlerin reist nur zu einem Gipfel, wenn dort auch etwas entschieden wird.
Merkels Stallwächter in Berlin müssten sich also mit den europäischen Partnern vorher einigen. Aber worauf? Die Gerüchte um einen Haircut, gar einen Zahlungsausfall von Griechenland, werden sicher nicht aus Afrika gestreut. Die Kanzlerin scheint vielmehr immer noch ihren alten Plan zu verfolgen: Neues Sparpaket in Griechenland, doch noch eine Gläubigerbeteiligung und dann neues Geld für Griechenland.
Das wäre der logische Schritt in Merkels ehrgeizigem Plan, Europa zusammenzuhalten und gleichzeitig quasi von Berlin aus zu mehr Wettbewerbsfähigkeit zu zwingen. Alternativen dazu erwägt die Kanzlerin schon lange nicht mehr ernsthaft. Ihr Plan erscheint ihr, typisch Merkel, alternativlos. Geht der Plan auf, hätte Merkel ihren Platz in den Geschichtsbüchern. Scheitert er, wären die Folgen fatal - nicht nur für Merkel.
Angela Merkel in Angola
Jetzt trifft Merkel in Angola den Staatspräsidenten, führt Wirtschaftsgespräche und besucht ein Zentrum zur Journalistenausbildung. Gestern in Kenia gab ihr Ministerpräsident Raila Odinga in anderer Angelegenheit einen überraschenden Rat, der auf dem Hintergrund der Euro-Krise wie ein Menetekel klang.
Der Afrikaner, der deutsch spricht, zitierte Konrad Adenauer: „Die Geschichte ist auch immer die Summe der Dinge, die hätten vermieden werden können.“
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Kategorie: Meine Artikel | Hinzugefügt von: wolin-w (13.07.2011)
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